27. Januar 1858
Am Morgen hat ich nur kurze Zeit für mich, da wir Glättete haben. Ich mußte meine Kleider besorgen, Wäsche flicken u. s. f. Nachmittags ging ich in den Wollenhof, um mit Papa zu rechnen; was mir viel Freude machte, und nachher noch zu Luise Wyß, der ich Alles von gestern erzählte. Sie sagte mir H. M. sei gewiß unbefangen, so bald es seine Gesundheit erlaube, gehe er wieder fort. Er wisse aber noch nicht wohin, denn es sei so schwer eine Stelle zu finden, wenn man gar keine Verwandte habe. Ich glaube Luise hat mich nicht mißverstanden, sondern begreift meine Gefühle. Abends redete ich auch noch mit Mama davon, und sie sprach mir nur zu, mich doch recht vergnüftig zu benehmen. Es scheint ihr immer Mühe zu machen. Ich hingegen war freudig im Herzen, ich will mich schon zusammen nehmen, u. glaube ein Freundschaftsverhältniß sollte doch möglich sein.
Heute verrätst Du etwas mehr über das Rechnen, nämlich dass Du dafür in den Wollenhof gehst. Der Wollenhof war früher das Wohnhaus Deiner Escher-Grosseltern, Du schreibst darüber in Deinem Erinnerungsbuch. Nun wohnt Heinrich Escher, der Bruder Deines Vaters dort, der Euch oft besuchen kommt und den Du jeweils “Onkel im Wollenhof” nennst in Deinem Tagebuch. Mit ihm zusammen führ Dein Vater den Fabrikationsbetrieb. Der Wollenhof beherbergt eine Seidenfabrik, für die in den 1820-er Jahren über 500 Weber in Heimarbeit arbeiteten.
Und wieder erfahren wir mehr über Dich und Conrad Ferdinand Meyer. Die Sache ist so geheim wohl auch nicht, da Du offen mit Freunden und Verwandten darüber sprichst.