5.-7. April 1858
5. April. (…) Leider vernahm ich gleich nach der Kiche, daß der alte Junker sterbend sei. Er habe eine Lungenlähmung. (...) Beim Essen erhielten wir die Nachricht, dass Junker Meiß um 1/2 2 Uhr gestorben sei. (…)
7ten. Am Morgen konnte ich wieder recht von Herzen den lieben Gott bitten, daß Er doch bei mir bleiben, u. mich den ganzen Tag an seiner Hand führen wolle. Dann hatte ich noch zu schreiben u. ging um 10 Uhr zuerst zu Hr. Kölliker, u. dann zu Frau Schulthess im Schönenberg. Ich hatte sie traurig aber doch ganz ruhig erwartet, was sie ja gewöhnlich ist, war aber dann sehr betrübt, als ich sie gar so traurig und jammernd antraf. Sie weinte sehr, so daß ich mit ihr weinen mußte! Klagte das treuste Herz, das sie auf dieser Welt am meisten geliebt habe sie jetzt für immer verloren, u. sie habe nun so gar Niemand mehr u. stehe so allein. Jch sah wohl wie tief ihr Schmerz ging, u. wie wund (unklar) jetzt ihr Herz über das Glück ihrer Schwägerin ist, die nun ja doch die große Freude hat. Die arme, arme Frau Schultheß, wie habe ich ihr oft Unrecht gethan, u. sie für kalt gehalten, u. ganz glücklich! Sie theile eben nur ihren Kummer Niemand mit, aber Gott möge selbst das verwundete Herz heilen, und ganz mit Liebe zu ihm füllen. Ach wie gern hätte ich so Vieles sagen mögen, war aber ganz wie vestockt und konnte nur mitweinen, was glaub ich Fau Schultheß wohl that denn sie sagte, oft sei sie so verstockt wie ein Stein. Jch hätte sie so sehr bitten mögen, mich doch ein wenig lieb zu haben, konnte es aber gar nicht, u. sagte ihr dann nur, ich wolle für sie beten über diese schwere Zeit, was sie sehr zu freuen schien. Sie bat mich wenigstens es doch zu thun u. viel an sie zu denken. Jch wünschte dann sehr ihren Papa noch zu sehen, u. sie sagte mir nur wolle sie selbst kommen, sonst lasse sie ihre Mama nicht oft hinein. Wir gingen dann hinauf und im Cabinet lag Junker, so freundlich aus sehend wie früher, und noch ganz derselbe. O, mein Heiland, gib Du ihm bei Dir die ewige Ruhe und tröste selbst seine ganze Familie. Auch bei der Leiche jamerte die arme Frau wieder so sehr. Niemand, habe es so gut mit ihr gemeint, wie er, u. nun werde er sie nie, nie wieder lieb haben. Ich tröstete sie so gut ich konnte, und verliess sie dann mit dem Vesprechen oft an sie zu denken, u. indem ich mir fest vornahm sie wieder treuer zu lieben, u. ihrem (unklar) nur Freude zu machen. Jch habe nun ja erfahren, daß sie doch ein warmes liebesbedürftiges Herz hat und will nun aufs Neue (unklar) sein! Ganz ergriffen, u. verweint kehrte ich nach Hause zurück, und mußte den ganzen Tag mit meinen Gedanken bei der armen Betrübten sein. (...)