25. Juli 1859
Beim Essen saßen wir neben Hr. Favargers, da die andern wieder Besuch hatten, u. Herr F. fragte mich, ob ich Nachmittgs nicht mit ihm spazieren wolle. Ich nahm es freudig an, da Mama unterdessen zu Frau Favarger gehen konnte. Zwar war es sehr trübe u. regnete auch einige Mahle während wir unterwegs waren, aber doch hatte ich großen Genuß v. d. Spaziergang. Wir gingen zuerst die etwas steile Felsentreppe hinauf und dann oben auf einem netten Fußwege bis nach Pfäffers, Dorf u. Kloster wo wir eine prächtige Aussicht hatten u. Herr F. kennt jeden Berg, jedes Haus u. erklärte mir Alles ganz genau, das Rheinthal mit Mayenfeld, Malans u. s. fort ist sehr schön, Berge sieht man prächtige u. da mich Herr Favarger sehr gut unterhielt verging die Zeit merkwürdig schnell, und wir waren in Ragatz angekommen ehe ich recht daran dachte. Das einzige was mir sehr leid that, eigentlich die Hauptsache ist, daß Herr F. sagte, sie würden schon in einigen Tagen von hier abreisen! Und wir waren immer so sicher, sie würden noch länger als wir hier sein. In Ragatz zeigte er mir dann den Hof Ragatz, wo es mir aber ganz unheimlich vor kam, und dann gingen wir durch unsere alte bekannte Straße wieder nach Pfäffers zurück. Herr F. erzählte mir unterwegs sehr viel von seinen Reisen. Er ist fast in allen Welttheilen gewesen, in Nord u. Süd Amerka, in Egypten, Palästina, in Spanien ganz Italien u. der ganzen Schweiz; ist sehr unterrichtet, hat ein prächtiges Gedächtniß, so daß er von Graz u. Berlin (z. L.-unklar) eine Menge zu erzählen wußte. Die Zeit verging mir so herrlich, daß wir zu Hause waren, ehe ich recht daran dachte. Jm untern Gang kam uns Frau F. mit Mama entgegen, die uns hatten abholen wollen, und wir kehrten mit ihnen nochmals bis an den großen Rank zurück. Ich ging eine Strecke mit Mad. F. die mir viel von ihr Schwestern u. s. f. erzählte. Sie hatte einen Teil des Nachmittags mit Mama zugebracht, und ihr sehr viel von ihrem Leben erzählt. Sie habe erst als 40 jährig geheirathet, nachdem sie ihre Mutter bis zu ihrem Tode gepflegt. Ihre Schwestern hätten sie dann zu sich nehmen wollen, aber da sei H. F. gekommen, mit dem sie nun seither fast immer auf Reisen gewesen sei. Wir gingen dann ins Zimmer u. bald darauf zum Nachtessen, wo aber nur Frau F. allein kam. Nach dem Nachtessen gingen wir noch unten an den Tisch zu Frau Balthasar, die mich für meinen Spazierganz fast beneidet. und trafen dann im Gange wieder mit Herrn F. s zusammen, die uns bis in unser Zimmer begleiteten, und dort noch freundlich die Hand gaben. Wie Schade daß sie sobald fortgehen, aber sie wollen noch nach Haus, und erst von dort aus nach Neuchatel. Recht traurig ging ich deßhalb zu Bette. (...)