6. - 13. September 1858

6. -13. September 1858: Eine ganze Woche ist vergangen, seit ich zum letzten Mahl geschrieben, u. da die Zeit zwar sehr unruhig aber doch einförmig vorbei ist, so will ich nur in der Kürze Alles zusammenfassen. Betheli ist immer noch bei uns, u. nimmt meine Zeit Tag u. Nacht in Anspruch; ich habe meine ruhige Morgenstunde aufgegeben, um mit ihm zu lernen, u. es hat ein recht offenes empfängliches Herzchen. Da wir Anfangs der Woche Regenwetter hatten, bekam es starkern Husten u. öfteres Erbrechen, so daß wir Herrn Professor kommen liessen der ihm ein Pülverli gab. Seine Besuche machen mir gar keine Freude mehr, da er mich zu lange zu weniger beachtet. So geht es, wen man jemand fast vergöttert hat; ich will es mir zur Warnung nehmen. Betheli ist sehr gern bei uns u. wird uns immer lieber, so daß wir es nächste Woche gar nicht gern fortlassen, es ist so gut u. liebend. Nanny kam am Dienstag v. Hindelbank zurück; ich besuchte sie u. Elise am Mittwoch Morgen u. Abends kamen sie dann beide zu uns. Doch war es nicht sehr herrlich; denn Nanny hat auch gar keine Gedanken als für sich selbst. Auch Elise war sehr stürmisch u. Mama fürchtet, wir werden nicht einmal viel Dank für unsre Mühe haben. Doch haben wir wenigstens unsere Pflicht erfüllt. Mama war einige Tage recht angegriffen u. unwohl, Gottlob ists jetzt besser. Am Donnerstag kamen Her Stockars am Freitag Besuch v. Frau Landamann u. Zeugherr u. Abends als wir hofften einmal allein zu sein Herr u. Frau Rüsch. Auch mit Obst und Konfitüre hatten mir diese Woche viel zu thun, u. kamen erst am Samstag Nachmittag dazu einmal allein im Garten zu sitzen. Dafür hatten wir dann Abends umso mehr zu kochen, u. Allerlei z. machen. Bethelis Waschen u. Ankleiden nimmt auch viel Zeit weg, doch thun wir es gerne. Gestern am Sonntag war ich am Morgen allein in der Kirche leider aber sehr schläfrig u. müde, was mir mein Heiland verzeihen möge. Nachher machte ich noch schnell meine Armenbesuche u. ging dan̄ heim, wo Mama aben Betheli zu Bett gethan. Das Kind wird mir im̄er lieber. Zum Essen hatten wir Herr Bodmer- Stockar allein, er schien recht vergnügt. Nachmittgs kam Dieter, Betheli will aber noch nichts vom Heimgehen wissen. Nachts waren wir dan̄ recht müde u. gingen gern zu Bett. Diesen Mogen habe ich nun wieder mit Betheli ein recht heimliches Sündchen gehalt, das Kind lernt so gern, jezt aber ist sie im Bett u. ich konnte darum meine Zeit zum Schreiben benutzen; sie wird aber wohl bald wieder erwachen. Von Karlsbad habe ich im̄er noch keinen Brief, o mein Gott gib, daß man mir doch einmal schreibt.  

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