28. Juli 1859
Am Morgen stand ich sehr früh auf, um mein Wasser zu trinken, u. nicht zum Frühstück zu spät zu kommen, da wir gleich nach der Abreise von H. Favargers nach Ragatz wollen. Nachdem ich meine 4 Gläser getrunken, spazierte ich mit Herrn v. Grafenwied auf der Terasse, und ging dann nachher noch ein wenig mit Mama. Als wir wieder hinauf kamen kam eben Mad. Favarger herab, u. brachte mir mein Büchli, in das sie mir geschrieben hatte! Que la grâce de Dieu soit avec vous! C’est le (oben-unklar) sincère de votre viellie amie Mathilde Favarger; was mich unaussprechlich freute. Sie sagte dann, sie würde uns beim Morgentrinken erwarten, u. wir gingen bald hinab, um noch zum letzten Mahl zusammen unser Frühstück zu genießen. Es war noch recht herrlich, Herr (Lenod-unklar) u. Favarger nahmen Abschied, wir aber gingen wieder in unser Zimmer, um unsre Karten zu holen, da sie uns auch die ihrige gegeben hatten. Sie gingen dann hinauf um sich bereit zu machen, u. kamen (nachträglich eingeschobene Zeile – Mtin kouzuut halte seiberg iez. Fänden umd es nut zunesrgen!-unklar) bald wieder hinab, um uns Adieu zu sagen. Wir luden sie ein uns zu besuchen u. dankten ihnen herzlich für alle ihre Güte. Sie umarmte uns dann freundlich u. küßte mich u. Mama während Herr Favarger uns die Hand gab, und für unsre Freundschaft dankte. Ich ging dann bald nach ihnen ins Haus hinab, wo ich sie wartend fand, da noch nicht angespannt war. Frau Favarger war betrübt und sah sehr bleich u. leidend aus, wir redeten noch zusammen, u. sie sagte, sie hoffe gewiß uns wiederzusehen, doch sei es ihr oft recht lang. Sie spüre mit jedem Tage, wie sie älter werde, und wie das ewige Reise ihre Kräfte verzehre. Ich sagte ich werde für sie beten, daß der liebe Gott sie noch lange erhalte und sie sagte, sie werde auch oft an uns denken, es sei so traurig, wenn man nur zu zwei in der Welt sei, u. die Trennung macht Ihr immer große Mühe. Ich sagte, ich könne ihr nicht genug für alle Güte danken, ich könne mich im Deutschen nicht recht ausdrücken. Nachher bestellte ich dann den Kutscher, der sie hinabführen soll, und wieder zurückzukommen u. uns abzuholen, dann kamen sie vors Haus, nahmen von ihren (May-unklar) den Abschied und nachher küßte mich Frau Favarger noch einmal u. sie stiegen ein. Wir blieben noch bei ihnen bis sie abfuhren, sie wollten uns mit in ihrem Wagen hinunter nehmen, was wir aber nicht annahmen. Endlich noch ein letztes Adieu u. fort ging es den Berg hinab. Wir sahen mit Wehmuth u. Betrübniß nach u. ich batt den lieben Gott von ganzem Herzen, daß Er uns doch diese lieben Leute erhalte und wiedersehen lasse! Gewiß hat Er uns nicht umsonst zusammengeführt! Frau Favarger hat Mama erzählt, daß sie sich erst als 40 jährig verheirathet! Sie habe ihre Mutter bis zu ihrem Tode gepflegt, dann sei sie einmal hier in Pfäffers gewesen, u. Herr Favarger ihr hieher nachgereist. Wahrscheinlich ist dann hier in Pfäffers ihr Entschluß gefaßt worden! Wie gern möchte ich sie einmal besuchen, o Du treuer Heiland, erhöre Du nur mein Gebet für sie, und laß mich Dir für dise s. schönen Tage recht dankbar sein! Wir machten uns nun auch auf den Weg nach Ragatz, und unten am Berge kam uns die Kutscher. Herrn Favargers wieder entgegen, und führte uns in den Bahnhof. Dort war der Zug schon abgefahren, u. wir konnten nur noch (niseen Freun-unklar), den in die Ferne nachsehen. Im Bahnhof mußten wir lange Zeit warten bis der Zug kam, der uns dann Papa, Elise, Betheli, Hr. Stockar u. Herr Schindler mit brachte. Wir hatten große Freude sie zu sehen, u. fuhren in 2 Wagen nach Pfäffers, wo es ihnen auch ganz merkwürdig vor kam. Zuerst zeigten wir ihnen unser Zimmer u. dasjenige Hrn. Favargers welches eben leer wurde, u. wo es mir recht traurig war. Nachher gingen sie zur Quelle, während ich mit Papa u. Betheli, auf der Terasse blieb. Bald fing es dann an zu läuten u. wir gingen zusammen in den Saal, wo mir aber heute die liebe Frau Favarger, die ich immer so gern gesehen, sehr mangelte. Wie froh sind wir, heute Besuch zu haben, sonst wären wir gar so verlassen. Das Essen war ordentlich u. nachher tranken wir Kaffe in unserm Zimmer, da aber Papa nicht lange Ruhe hatte, gingen wir wieder auf die Terasse bestellten bald unsern Wagen u. er fuhr mit Mama u. Betheli nach Ragatz in den Bahnhof, während wir andern. zu Fuß hingingen. Wir mußten aber im Bahnhof noch über eine Stunde warten, bis der Zug von Chur kam, u. sie von uns führte, daß wir nun ganz allein zurückblieben. Etwas traurig fuhren wir dann nach Pfäffers zurück, wo uns das Haus zwar öde u. ausgestorben aber doch recht heimlich vorkam. Wir trafen die beiden französischen Mägde noch an, mit denen wir v. ihrer Frau redeten, u. gingen nachher gleich in unser Zimmer, wo wir bis zum Nachtessen lasen u. arbeiteten. Das Nachtessen war uns dann auch recht öde u. unheimlich, immer mußte ich wieder die lieben Gesichter vermissen u. wir beschlossen morgen einmal im Zimmer Thee zu trinken. Etwas betrübt gingen wir dann bei Zeiten zu Bette.